UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

Montag, 9. Oktober 2006

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

Mein Tag, Folge 246

"120 Euro - das ist doch viel Geld"

Ingo Picht (35), Langzeitarbeits- loser, hat einen "Ein-Euro-Job" in der Fördermaßnahme in Bergisch Gladbach.

Z wischen halb sieben und Viertel vor sieben stehe ich auf. Ich wohne in einer WG. Ich trinke einen Kaffee, dann gehe ich zu Fuß los, ich hab´s ja nicht weit. Um halb acht soll ich im Q 1 sein. Das ist eigentlich das Jugend-Kulturzentrum der Gnadenkirche, aber da sind auch die Büros von "Mensch&Arbeit". Das ist eine Maßnahme der Evangelischen Kirchengemeinde in Bergisch Gladbach für Arbeitslose. Ich habe da einen Ein-Euro-Job, aber die nennen das lieber Förderjob. Wir sind fast 150 Förderjobler. Ich arbeite in dem Mobilen handwerklichen Service, da sind wir insgesamt 15 Leute.

Eine richtige Ausbildung habe ich nicht. Nach der Mittleren Reife habe ich früher mal bei einer Veranstaltungsfirma gearbeitet - backstage, auch mal als archäologischer Helfer in einem Museum in Köln. Meine letzte Festanstellung? Das ist lange her. Vielleicht 1995. Aber ich habe eigentlich immer was gemacht, Jobs und Praktika, auch eine Ausbildung zum Bürokaufmann von 2002 bis 2004. Aber ich habe die Abschlussprüfung nicht bestanden. Ich will unbedingt eine Arbeit, damit ich eine Struktur habe im Tag. Ich bin nicht der Typ, der nix tut. Darum bin ich vor einem Jahr zur Caritas gegangen, ich wollte was im sozialen Bereich machen, aber die Frau dort hatte nichts für mich und hat mir gesagt, ich sollte mal zu "Mensch&Arbeit" gehen.

Im August 2005 habe ich dort angefangen. Zuerst war ich im evangelischen Krankenhaus in der Zentralversorgung: Unterstützung beim Bettentransport, die Essenswagen auf Station zu bringen und so. Dann wollte ich mal was anderes probieren. Deshalb bin ich jetzt beim Mobilen Service, der Umgang ist da sehr ruhig und locker. Man kann auch viel selbständig machen. Ich komme gerne hierhin. Morgens sagt uns unser Chef, was ansteht. Das sind ja alles Sachen, die sonst keiner macht, weil kein Geld dafür da ist. Um acht Uhr fangen wir an. Ich bin heute erst mal in die Werkstatt gegangen und habe an dem Baumstamm weitergearbeitet, mit dem ich gestern angefangen hatte. Das soll mal eine Sitzbank werden. Dazu gehört noch ein Holzspieltisch mit Schach und Mühle, den haben ein Kollege und ich schon fertig gemacht. Gehobelt, geschliffen und lackiert.

Gegen halb zwei gehe ich nach Hause. Heute werde ich nix kochen, weil ich zu faul bin. Ich koche aber sonst gerne. Ich werde duschen, was essen, ein oder zwei Stündchen lernen. Vor ein paar Monaten bin ich nämlich zum Arbeitsamt gegangen und habe zu meinem Sachbearbeiter gesagt, ich will die Prüfung noch mal machen. Als Bürokaufmann. Jetzt habe ich seit dem 23. August beim Bildungswerk in Köln Vorbereitungskurse, für die Prüfung bin ich schon angemeldet.

Aber bis Dezember kann ich erst mal bei Mensch&Arbeit bleiben. Das Arbeitsamt hat meinen Förderjob verlängert. Ich kriege Hartz-IV-Geld, das sind 760 Euro im Monat. Da ich bescheiden lebe und gut wirtschaften kann, komme ich zurecht. Aber der Förderjob ist ein schöner Zuverdienst. Ein Euro die Stunde, das sind bei 30 Stunden pro Woche 120 Euro - das ist doch viel Geld.

AUFGEZEICHNET VON UTE GLASER

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