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Journalistin

 

10. Mai 2003

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Story: Ungewöhnliche Konfirmation - Gehörloser Junge in normalen kirchlichen Unterricht integriert    
Infos: Das Ja zur Taufe   
    

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"Vater unser" in Gebärdensprache

Ein Versuch, der gelang: Pfarrer Thomas Werner integrierte Leo in seinen kirchlichen Unterricht. Am heutigen Samstag wird die Gruppe konfirmiert.

Bergisch Gladbach - Max, Paul und Leo: drei Brüder aus Bergisch Gladbach. Max ist 19, Paul 17, Leo 14. Als der Jüngste wie seine älteren Geschwister an der Gnadenkirche konfirmiert werden sollte, gab's allerdings Probleme. Denn Leo ist gehörlos. Und wenn er spricht, dann nur mit Augen und Händen.

„Wir hatten ziemlichen Widerstand“, erzählt Pfarrer Thomas Werner, wie es zu der ungewöhnlichen Konfirmation kam. Allein Dieter Schwirschke, Pfarrer der Evangelischen Gehörlosenseelsorge Köln, habe ihn mehrfach angerufen. Die Integration eines Gehörlosen sei bei der Konfirmandenarbeit schwierig, habe der Geistliche gemeint, der üblicherweise für die Konfirmation von Gehörlosen aus der Region Köln zuständig ist. „Er hat mir dringend davon abgeraten.“ Allein schon die Entwicklungsverzögerung dieser Kinder sei problematisch.

Aber Werner stand ganz auf Seiten der Eltern. „Es ist für mich das A und O, wenn die das wollen.“ Und Helga Landwehr-Schmidt und ihr Mann Helmut Schmidt wünschten es sich von Herzen. Ihre Familie ist der Gnadenkirche seit Generationen eng verbunden. Daran hat auch der Umzug vor einigen Jahren in den Heidkamper Pfarrbezirk nichts geändert. Alle drei Jungs wurden in der Gnadenkirche getauft und sie sollten auch alle drei dort konfirmiert werden. Damit wollten die Eltern Leo nicht nur seinen hörenden Brüdern gleichstellen. „Er soll auch lernen, dass diese Kirche für uns wichtig ist. Als religiöser Familienmittelpunkt“, erklärt Helmut Schmidt.

Thomas Werner war für das Konfirmations-Experiment von Anfang an aufgeschlossen. „Ich habe vom Sonderschüler bis zum Hochbegabten alles in einer Gruppe. Warum nicht auch einen Gehörlosen?“ Einzige Bedingung: ein Gebärdendolmetscher, der die kirchlichen Inhalte dem 14-Jährigen verständlich macht.

Weil das Sozialamt des Kreises für solchen Luxus keinen Cent locker macht, sprang Paul in die Bresche. Anderthalb Jahre lang begleitete er seinen Bruder Woche für Woche zum kirchlichen Unterricht. Mit Gestik und Mimik ließ er Leo am Unterricht teilhaben. Warum er diese Mühe auf sich nahm? „Für ihn“, sagt der 17-Jährige schlicht, der in seiner eigenen Konfirmandenzeit am metallenen Altarkreuz der Gnadenkirche mitbaute. „Damit er die Chance hat, den Unterricht so zu erleben, wie wir das konnten.“ Das Übersetzen sei freilich bisweilen anstrengend gewesen. „Ein ausgebildeter Dolmetscher hätte es einfacher gehabt. Mir fehlten Fachvokabeln.“ Zum Beispiel beim Abendmahl. „Das musste ich dann umschreiben. Ich konnte ja nicht einfach ,Abendessen' sagen.“

Wie Leo den Unterricht erlebte? Der scheue 14-Jährige, der die 7. Klasse der Rheinischen Schule für Hörgeschädigte in Köln besucht, lächelt und macht ein paar fixe Handbewegungen. Alles okay. Aus seinem Zimmer holt er zwei Büchlein: „Vater unser“ und Glaubensbekenntnis - in Gebärdensprache. Das hat er natürlich auswendig gelernt. „Er hat sich nicht immer getraut zu sagen, was er wusste“, meint sein Bruder. Aber Pfarrer Thomas Werner ist zufrieden, alles sei reibungslos gelaufen. „Für mich war es ein gelungenes Projekt. Der Leo ist in der Gruppe absolut anerkannt und akzeptiert.“

Aber nicht nur für den Jungen sei die Integration in die Katechumenen- und Konfirmandengruppe wichtig gewesen. „Auch die anderen Konfirmanden haben davon profitiert. Durch die Konfrontation mit dieser Art von Behinderung.“ Leos Eltern sind froh. Wenn am heutigen Samstag um 15 Uhr ihr Sohn mit den übrigen Jugendlichen in der Gnadenkirche konfirmiert wird, sind sie wieder ein Stückchen weiter auf dem Weg der Integration und Kommunikation gegangen. Das ist ihnen nicht nur für ihr eigenes Kind ein Anliegen. Als Gründungsmitglieder und Beisitzer des Vereins „Gib Zeit e.V.“, der Ende 2001 gegründet wurde, setzen sie sich in ganz Nordrhein-Westfalen für eine Verbesserung der Kommunikation und des Miteinanders mit jungen Gehörlosen ein.

Leo habe sehr profitiert vom Konzept des Vereins, der aus einem Modellprojekt entstand, als die Fördermittel ausblieben. „Aus dem suchenden, aggressiven Kind ist schon nach kurzer Zeit ein gut gelaunter, zufriedener Mensch geworden“, sagt seine Mutter. Er habe Interessen entwickelt, von denen sie nicht gewagt hätten zu träumen. Ob da Paul während des kirchlichen Unterrichts vielleicht auch mal Witze oder Fußballergebnisse in Gebärdensprache mit Leo ausgetauscht hat? Die Brüder grinsen bis zu den Ohren, aber schütteln heftig den Kopf.

   
Ja zur Taufe
Die Konfirmation ist das Ja zur Taufe. Diese Amtshandlung der Evangelischen Kirche findet traditionell zwischen Palmsnntag und Pfingsten statt.
Die 13- bis 14-jährigen Jugendlichen bestätigen nun das, was Eltern und Paten zuvor versprochen hatten: den Weg des Glaubens zu gehen, auf Gott zu vertrauen, zur Kirche zu gehören und sich mit anderen auszutauschen. Sie empfangen Gottes Segen für ihren weiteren Lebensweg und ein persönliches Bibelwort.
Die Konfirmation macht die jungen Menschen zu vollwertigen Mitgliedern der evangelischen Kirche. Sie können nun am Abendmahl teilnehmen, Pate werden und bei kirchlichen Dingen mitbestimmen.
In Deutschland lassen sich jährlich mehr als insgesamt 250 000 Jugendliche konfirmieren.
(ugl)

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