UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

6. November 2002

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Gräber, die Geschichten erzählen

Im Schatten hoher Bäume führt der historische Friedhof der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach derzeit eher ein Schattendasein. Im 18. Jahrhundert war er dagegen ein Grund zur Freude.

Bergisch Gladbach - Das schmiedeeiserne Tor ist erneuert, aber hinter ihm ist die Zeit stehen geblieben. Wer den alten Friedhof an der Gnadenkirche betritt, taucht ein in die Zeit der Papiermacherfamilien von Schnabel, Fues und Co. Gras, Farn und Brombeerranken versuchen zwar, das kleine Grundstück für die Natur zurückzuerobern, aber Küster Günter Fritzmann trotzt dem wuchernden Grün immer wieder die geschichtsträchtigen und denkmalgeschützten Grabsteine ab.

Die Geburtsstunde des Friedhofs war vor 225 Jahren. Als am 12. Oktober 1777 die Gladbacher Protestanten ihre lang ersehnte Kirche einweihen konnten (die bis in die 50er Jahre nur schlicht Evangelische Kirche Bergisch Gladbach hieß), da errichteten sie endlich auch einen Friedhof gleich nebenan. Das bedeutete eine gewaltige Verbesserung für die evangelischen Christen, denn bis dahin hatten sie ihre Toten zur Bestattung nach Mülheim bringen müssen. Auch zu Gottesdienst, Taufen und Trauungen hatten sie bisher diesen weiten Weg gemacht - jedes Mal drei Stunden Fußmarsch.

Von den historischen Grabsteinen sind heute noch etwa dreißig erhalten. Und wenn der Zahn der Zeit auch an etlichen Buchstaben genagt hat, so sind zahlreiche Inschriften doch noch lesbar. Das älteste Grab, das sich heutzutage identifizieren lässt, gehört demnach der Frau eines der Papierfabrikanten, die sich für die Gründung der Evangelischen Kirchengemeinde vehement eingesetzt hatten: Iohanna Gerdraut Fues, „verehlicht mit Herrn Heinrich Schnabel“. Sie starb am 17. November 1782 im Alter von 80 Jahren.

Die große rötliche Bodenplatte trägt am Kopf ihr Wappen mit dem Fuß und die Inschrift „Friede der Asche“. Am unteren Ende heißt es: „Gattin und Mutter stiftete sie in den Herzen der Ihrigen ein Denkmal der Liebe Treue und Redlichkeit.“ Die Grabplatte bildet eine Einheit mit den Steinen, die die Gräber von ihrem Mann Heinrich Schnabel (gestorben am 24. Februar 1797 mit 91 Jahren) und von Johannes Gottfried Fauth, des „Reichs Hofrath“ (gestorben am 16. März 1792 mit 60 Jahren) decken. Eine der aufwendigsten Steinmetzarbeiten auf dem Friedhof. Wie sehr sich Schnabel für die Gemeinde, die erst zwei Jahre vor der Kirchen-Einweihung gegründet werden durfte, einsetzte, verdeutlicht seine Grab-Inschrift: „Gegeben seinem Hause zur Erhaltung und der hiesigen reformirten Gemeinde zum Werkzeug ihrer Stiftung.“ Aus dem 18. Jahrhundert sind ansonsten nur zwei weitere Grabstellen identifizierbar. Zum einen der schlichte senkrecht aufgestellte rötliche Stein der Annamaria Biesenbach, „Ehefrau von . . . Abraham Glaser“, die am 19. Dezember 1791 im Alter von 84 Jahren starb. „Aus kindlicher Liebe gegeben“ vermerkt die Inschrift. Zum anderen das aufwendiger gearbeitete Grabmal des Iohann Isaac Fues, das Schlange und Fackeln zieren und das bis heute daran erinnert, dass dieser Mensch 1716 „in der Dombach“ geboren wurde und 1797 „auf dem Gierath“ starb.

Die übrigen Gräber stammen aus dem 19. Jahrhundert und gehören meistens zu Familien, die eng mit der papiergeschichtlichen Vergangenheit von Bergisch Gladbach verknüpft sind. So fand Heinrich Jacob Maurenbrecher, der 1856 „zu Dombach“ starb, seine letzte Ruhestätte an der Gnadenkirche. Ein massiver Steinblock erinnert an Franz Heinrich Fauth (1766-1820), Gottfried Fauth (1796-1829) und Helene Fauth (1795-1821). Auf einem schön gearbeiteten Grabmal heißt es: „Einst auf Erden vom 21. Januar 1795 bis 4. September 1831“ war Johann Wilhelm Adolph Zanders. „Sein Sterbliches deckt dieser Stein.“

Ein paar Schritte weiter liegt ein Verwandter, Iohann Wilhelm Gottfried Zanders, „gewesener med. Doctor und Medicinal-Rath zu Düsseldorf“ (1748-1813). Auch Vertreter der Familie Koch sind hier zur letzten Ruhe gekommen, nachdem sie im württembergischen Münsingen geboren worden waren, dann in die Bergisch Gladbacher Papierfabrikation einstiegen und schließlich „zu Kieppemühle“ starben. Wappen, Fackeln, Ranken, Kreuze und Ornamente verzieren die Grabmäler. Beim Zanders-Monument streckt sich der kleinen menschlichen Hand aus den Wolken die große von Gott Vater entgegen. Bibelsprüche und fromme Wünsche begleiten die nüchternen Daten.

Dass die Welt der damaligen Bergisch Gladbacher durchaus über die Stadtgrenzen hinaus reichte, machen Ortsangaben deutlich. So ruhen auf dem Friedhof ein Friedrich Dilthey, geboren in Nassau-Diez, ein Friedrich Ioseph Koch, „Kaufmann in Frankfurt“ und eine Aurelie Poensgen, „Wittwe des sel. Pastors Eduard Poensgen zu Hünshoven“. Auch Tragisches lässt sich aufspüren: Auf dem Grabstein von Johann Wilhelm Aurelius Fues und Wilhelm Ludwig Fues heißt es: „Mit den Entschlafenen Vater und Sohn erlosch der männliche (unleserlich: Zweig?) der Familie Fues.“

Stiftungen aus der Gemeinde erweiterten und verschönerten den Friedhof mit den Jahren, doch nach knapp hundert Jahren wurde er zu klein: 1869 findet sich in den kirchlichen Akten der Vermerk, der Friedhof sei „durchaus gefüllt und keine einzige Stelle mehr vorhanden“. So kam es, dass auf dem Quirlsberg ein zwei Morgen großes Stück Land aus Stiftungsmitteln gekauft wurde, um als „neuer Friedhof“ zu dienen. 1870 bestattete die Gemeinde dort den ersten Toten und in der Folgezeit erweiterte sie mehrfach das Areal. Seither geriet der alte Friedhof zunehmend in Vergessenheit. Denn wenn es keine Angehörigen mehr gibt, die sich um die Gräber kümmern, verwildern sie. Sie führten neben der Kirche ein Schattendasein unter hohen Bäumen. Doch dann entdeckte der Denkmalschutz die geschichtliche Bedeutung dieser Gräber und 1990 trug die Stadt Bergisch Gladbach die kleine Anlage in die Denkmalliste ein. Seither sind die Gräber von Rechts wegen geschützt - aber nicht gegen Wind und Wetter.

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